Bechtold hat sich letztes Juniorenjahr anders vorgestellt

Tim Bechtold ist Eliteschüler des Jahres am Otto-Hahn Gymnasium in Karlsruhe. Er war im Herbst 2018 bei den Youth Olympic Games in Buenos Aires/Argentinien und präsentierte sich dort ganz stark in einem ungewohnten Wettkampfformat. Im letzten Jahr belegte er im Vierer-Canadier über 1.000 Meter bei den Junioren Weltmeisterschaften den achten Rang. 2020 sollte sein Jahr werden. Bei den Junioren Weltmeisterschaften in Brandenburg wollte der mittlerweile 18-Jährige in einer olympischen Disziplin um Edelmetall kämpfen. Dieses Ziel musste er nun begraben, denn die JWM ist abgesagt und ab 2021 darf er altersbedingt nicht mehr bei den Junioren starten. Wie der Knielinger damit umgeht und was sein nächstes Ziel ist, berichtet er im Interview.

Tim Bechtold im Trainingslager im Frühjahr 2020 in Portugal  ©GES
Tim Bechtold im Trainingslager im Frühjahr 2020 in Portugal ©GES/Rheinbrüder Karlsruhe

Wann und wie hast du von der Absage der Junioren WM erfahren?
Am Anfang der Corona- Zeit war ich noch optimistisch, was die Austragung der JWM betrifft. Als wir Sportler unser Auslandstrainingslager in Frankreich abrupt abbrechen mussten, wusste noch keiner so richtig, was auf uns zukommt. Ständiges Nachfragen bei den Trainern machte wenig Sinn, da diese selbst nicht wussten, wie es weiter geht. Auf den Internetseiten des Veranstalters habe ich nahezu täglich nachgelesen, leider auch ergebnislos. Irgendwann veröffentlichte Brandenburg die Absage der Internationalen Regatta im Mai und einen Tag vor meinem 18. Geburtstag kam die Presseinfo aus Brandenburg „Junior-World-Championships offiziell abgesagt“. Zeitgleich erfuhr ich es von meinem Trainer. 

Was waren deine ersten Gedanken?
Ich war mega enttäuscht. Immer wieder stellte ich mir die Frage: „Na und jetzt, wie geht es weiter?“ Mein Athletik-Qualifikationswettkampf Anfang März lief sehr gut, was für mich auch eine gute Voraussetzung für die Wasserqualifikation gewesen wäre.  Diese fiel dann aber bereits der Pandemie zum Opfer.  

Du hattest bisher eine nach oben gehende Erfolgskurve, was die internationalen Wettkämpfe angeht?
Ja. Der 8. Platz auf der JWM 2019 im C4 war bisher das Größte, was ich erreicht habe, abgesehen von der Teilnahme bei den YOG natürlich! Aber damit gebe ich mich noch nicht zufrieden. 

Welche Ziele hattest du dir im Winter für die Junioren WM in Brandenburg gesteckt?
Dieses Jahr sollte es nicht der Vierer-Canadier werden, sondern der Zweier-Canadier oder im besten Fall der Einer-Canadier über 1000 Meter. Dieses Ziel habe ich den ganzen Winter verfolgt. Die Trainingslager (vor Corona) konnte ich ohne Verletzungen absolvieren und die Athletik-Qualifikation stimmte mich optimistisch.

Welche Ziele hast du nun nach der Absage?
Letzte Woche hat mir mein Trainier David Reeck ein großes Lächeln ins Gesicht gezaubert, als er mir gesagt hat, dass wahrscheinlich auch die zweitjährigen Junioren (Jahrgang 2002) bei den Olympic Hope Games im September starten dürfen falls sie im September stattfinden können. Zuvor hatte ich allerdings immer den Gedanken im Hinterkopf: „Gibt es überhaupt noch einen internationalen Wettkampf diese Saison, bei dem ich mich mit anderen messen kann?“ 

Mit der Zuversicht auf eine Teilnahme bei den Olympic Hope Games, habe ich mir ein ganz klares Ziel gesetzt – ich will den Einer-Canadier in Ungarn fahren und mein Bestes geben. 

Wie fit bist du zur Zeit? Also fahrt ihr zur Zeit schnelle, wettkampfähnliche Einheiten?
Also auf dem Trainingsplan steht jede Woche mindestens einmal eine Sprint-Einheit. Natürlich fahren wir auch GA2 Strecken. Unsere Trainingsgruppe macht circa alle sechs Wochen eine Testwoche, damit wir Sportler wissen, wo wir stehen. Klar wären Wettkämpfe besser geeignet, als immer nur gegen die Zeit zu fahren. Aber ich sage mal so: „Ich fahre hier im Süden fast immer gegen die Zeit, da zu wenige Canadierfahrer – im Vergleich zu anderen Teilen Deutschlands – hier paddeln.“

Hast du neues Material verwendet?
Ja. Ich habe mir im Januar dieses Jahres ein neues Paddel zugelegt, mit dem ich mittlerweile super zurechtkomme, mich damit richtig gut fühle. Es ist leichter als das alte, denn es ist jetzt komplett aus Karbon. Das alte hatte nur 60% Karbon-Anteil. Es ist nicht mehr schnellverstellbar, d.h. es hat nur eine Länge und kann nicht größer oder kleiner gestellt werden. Die Länge ist genau auf mich angepasst. Es ist eine kleine Sonderanfertigung. Das Paddel kann man so nicht direkt bei Braca kaufen.  Der Schaft hat eine andere Härte und der Knauf ist von einem anderen Braca-Paddel. Also, ich habe verschiede Komponenten zu einem Paddel vereint.  

Was machst du derzeit mit deiner Freizeit, die ja sicherlich mehr ist als in den anderen Jahren?
Ich nutze die Zeit natürlich für das Training, aber auch um verpassten Schulstoff nachzuarbeiten (z.B. aus zurückliegenden Trainingslagern während der Schulzeit). Da im Otto-Hahn Gymnasium momentan deutlich weniger Unterricht als normal in der Schule stattfindet, habe ich in einigen Fächern noch Online-Unterricht. Durch die fehlenden Regatten und Trainingslager konnte ich auch mal wieder zu Hause bei meinen Eltern beim Umbau der Küche und des Kellers mit anpacken, was auch mal wieder Spaß gemacht hat. 

Gibt es etwas was du der Corona-Krise an Positivem abgewinnen kannst?
Ich konnte im Training meine Grundlagen noch etwas mehr ausbauen. Diese Gelegenheit bekommt man, glaube ich, nicht jedes Jahr. Mein Trainer David Reeck und ich haben auch die Zeit genutzt, um die Bootseinstellung zu optimieren und noch weiter an meiner Technik zu feilen. 

MaT